Solidarität gewinnt – Gerechtigkeit siegt!

Endlich spricht ein Gericht Gerechtigkeit: Drei der sogenannten „Moria 6“ sind am 4. April 2025 vom Jugendgericht in Mytilini in allen Anklagepunkten freigesprochen worden! Sie waren zusammen mit drei weiteren Jugendlichen wegen Brandstiftung verurteilt worden. Diesen sechs Jugendlichen aus Afghanistan wurde in einer absurden Anklage die Schuld für die heftigen Brände zugeschoben, die am 8./9. September 2020 das katastrophale Camp Moria auf Lesbos zerstörten.

Die Berufungsverhandlung, die vom 4.-8. März 2024 stattfand, war von rassistischen Äußerungen der Staatsanwältin und einem, wie schon bei den vorherigen Verhandlungen, unfairen Gerichtsprozess geprägt. Das Berufungsgericht kannte jedoch an, dass diese drei Jugendlichen zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung ebenfalls (zu den weiteren Angeklagten siehe unten) minderjährig waren und daher im Juni 2021 von einem nicht zuständigen Gericht zu 10 Jahren Haft verurteilt worden waren und verwies das Verfahren an das Jugendgericht.

Die drei Angeklagten kamen daraufhin nach fast 4 Jahren ungerechtfertigter Haft frei und warteten in Athen auf ihre Verhandlung vor dem Jugendgericht in Mytilini. Dieses befand nun am 4. April 2025 die drei Angeklagten für nicht schuldig und entschied, dass ihre Beteiligung an dem Brand im September 2020 nicht erwiesen sei. Ihr Anwalt Zacharias Kesses, der sie zusammen mit seiner Kollegin Evita Papakyriakidou vertrat, erklärte nach der Verhandlung: „In einem beispielhaften Gerichtsverfahren wurde endlich ein fairer Prozess geführt. Ein undenkbarer Justizirrtum wurde korrigiert, und drei Personen, die zu Unrecht beschuldigt und fast 4 Jahre lang inhaftiert worden waren, wurden einstimmig freigesprochen. Die Gerechtigkeit hat gesiegt.”

H., einer der freigesprochenen jungen Männer, ergänzte erleichtert: „Zunächst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die uns bis heute unterstützt haben. Nach diesem Prozess möchte ich ein sehr schönes Leben haben und meine Zukunft gestalten können. Und ich bin so froh, dass ich aus dieser Dunkelheit ins Licht gekommen bin. Ich hoffe, dass ich nach all dem Schmerz keine Schmerzen mehr habe.“

Der Menschenrechtler Nasim Lomani, der als Experte aussagte, stellte fest: „Die drei unbegleiteten Minderjährigen, haben sich vor dem Gericht von Mytilene als unschuldig erwiesen, nachdem sie mehr als 3,5 Jahre im Gefängnis für junge Erwachsene verbracht hatten. Die Jungen erhalten ihre Freiheit zurück, aber die Ungerechtigkeit und Brutalität, der sie all die Jahre ausgesetzt waren, bleibt ungesühnt.“

Absurde Anklage und Verteidigungsstrategie

Das katastrophale Camp Moria, Griechenlands größtes Camp, wurde durch die Brände im September 2020 vollständig zerstört. Moria, für bis zu 3.000 Menschen ausgelegt, war zu dem Zeitpunkt lebensgefährlich überfüllt, da bis zu 13.000 Menschen in und um das Camp lebten. Viele Menschen wohnten in selbstgebauten Hütten und Zelten in nahe gelegenen Olivenhainen. Die Covid Pandemie verschärfte die Lebensbedingungen. Als die mediale Aufmerksamkeit durch die Brände auf die entwürdigende Situation der schutzsuchenden Menschen auf den griechischen Inseln an der EU-Außengrenze gerichtet war, wurden sechs Jugendliche aus Afghanistan verhaftet und zu Sündenböcken einer verfehlten Politik gemacht.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft basierte lediglich auf der schriftlichen Aussage eines einzigen Campbewohners, in der nur Vornamen genannt wurden, jegliche Beweise fehlten. Dieser „Zeuge“ verschwand von der Insel und kam zu keiner Verhandlung, um persönlich auszusagen. Bemerkenswert ist zudem, dass dieser „Zeuge“ zur Gruppe der Paschtunen gehörte, und er wiederum Namen von Jugendlichen nannten, die zur Gruppe der Hazara gehörten. Verteidigungsstrategie war, die Aussage dieses Zeugen unglaubwürdig zu machen. Zwei Experten sagten über die Konflikte im Camp Moria zwischen Paschtunen und Hazara aus. Ein umfangreicher Report der Forensic Architectures (mit Videomaterial von ReFOCUS media lab) zum Verlauf der Brände am 8./9. September 2020 untermauerte die Zweifel an dieser Aussage. Ergänzt wurde die Verteidigung durch die Darstellung des positiven Verhaltens der Jugendlichen im Gefängnis und seit ihrer Entlassung.

Was ist mit den anderen drei Jugendlichen?

F. wurde in der Berufsverhandlung im März 2024 erneut für schuldig befunden. Das zweifelhafte Urteil aus erster Instanz (Juni 2021) wurde bestätigt, lediglich das Strafmaß wurde wegen gutem Verhalten im Gefängnis von 10 auf 8 Jahre reduziert. F. wurde im Juli 2024 auf Bewährung entlassen, muss sich aber weiterhin Griechenland aufhalten. Gegen sein ungerechtfertigtes Urteil wurde vom Anwalt Zacharias Kesses Beschwerde beim Obersten Gericht in Griechenland eingereicht. Wir hoffen, dass das aktuelle Urteil auch für ihn eine positive Auswirkung haben wird, denn auch seine Verurteilung beruhte ausschließlich auf der Anschuldigung in dem schriftlichen Statement des einzigen Zeugen.

Die beiden Jugendlichen der „Moria 6“, die sofort als Minderjährige anerkannt wurden, sind in einem getrennten Verfahren bereits im März 2021 vom Jugendgericht zu einer Haftstrafe von 5 Jahren verurteilt worden. Im Berufungsverfahren im Juni 2022 wurde das Strafmaß auf 4 Jahre reduziert. A. wurde im Sommer 2023 auf Bewährung aus der Haft entlassen. M. wurde erst im März 2024 entlassen, da er im Anschluss an die Haftstrafe in Abschiebehaft genommen wurde. Für die beiden Teenager wurde im Mai 2024 vom Legal Center Lesvos eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, nachdem der oberste Gerichtshof in Griechenland die Beschwerde abgelehnt hatte.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Anklage und Verurteilung der sechs Jugendlichen ist ein weiteres schockierendes Beispiel für die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht. Sie zielt darauf ab, die Verbrechen der EU und Griechenlands zu vertuschen, welche menschenunwürdige Camps wie das in Moria bauen, illegale Push-backs durchführen und Schutzsuchende durch Rechtsreformen wie das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) systematisch entrechten. Insofern hat der endlich erreichte Sieg der Gerechtigkeit eine große Bedeutung, nicht nur für die drei jungen Männer, sondern auch im Kampf gegen die willkürliche Kriminalisierung von geflüchteten Menschen.

Wir, die Kampagne #FreetheMoria6 haben die sechs Jugendlichen seit ihrer Verhaftung solidarisch unterstützt. Die weiteren Gerichtsverfahren erfordern einige finanzielle Mittel.

Dazu benötigen wir weiterhin eure Hilfe!

Spenden bitte an

Rote Hilfe e.V./ OG Hannover;

IBAN: DE42 4306 0967 4007 2383 57

BIC: GENODEM1GLS, GLS Bank,

Verwendungszweck: Moria6

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